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Austrittsleistung einer schweizerischen Anlagestiftung an einen Grenzgänger – und der Einnahmenzufluss

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Sog. Austrittsleistungen, die einem Grenzgänger nach dem Reglement einer schweizerischen sog. Anlagestiftung wegen des Wechsels zu einem neuen schweizerischen Arbeitgeber gewährt werden und aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung von dieser unmittelbar auf ein sog. Freizügigkeitskonto des Grenzgängers als Eintrittsleistung zu zahlen sind, sind im Inland nicht steuerbar.

Beiträge des schweizerischen Arbeitgebers zu einer schweizerischen Anlagestiftung, die nur im überobligatorischen Bereich der schweizerischen betrieblichen Altersvorsorge eine Absicherung gewährt und mit der der Grenzgänger eine privatrechtliche Vorsorgevereinbarung abgeschlossen hat, sind nicht gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG steuerbefreit. Für eine Steuerfreistellung nach § 3 Nr. 62 Satz 2 EStG ist wie im Inlandsfall Voraussetzung, dass der Grenzgänger von der schweizerischen gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist.

Im hier entschiedenen Fall waren damit dem Grenzgänger nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs mit der Austrittsleistung der Anlagestiftung keine steuerpflichtigen Einkünfte i.S. des § 11 EStG zugeflossen.

Der Grenzgänger hat keine wirtschaftliche Verfügungsmacht an der Austrittsleistung der Anlagestiftung erlangt. Zugeflossen ist eine Einnahme dann, wenn der Empfänger die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter erlangt hat. Der Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Das Innehaben von Ansprüchen oder Rechten führt nach ständiger Rechtsprechung den Zufluss von Einnahmen regelmäßig noch nicht herbei, denn der Zufluss ist grundsätzlich erst mit der Erfüllung des Anspruchs gegeben. Fehlt es dem Steuerpflichtigen an der Wahlmöglichkeit, eine Auszahlung verlangen zu können, hat er mangels wesentlicher Befugnisse eines Rechtsinhabers keine wirtschaftliche Verfügungsmacht. Ob der Steuerpflichtige im Einzelfall tatsächlich die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt hat, ist eine Frage der Tatsachenfeststellung und -würdigung, die dem Finanzgericht obliegt.

Eine solche wirtschaftliche Verfügungsmacht fehlt nach der Rechtsprechung des BFH, wenn eine gesetzliche Pflicht zur unmittelbaren Übertragung des Vorsorgekapitals zwischen den beteiligten Versorgungseinrichtungen besteht, der Arbeitnehmer die Ansprüche im Zusammenhang mit dem übertragenen Vorsorgekapital weder verpfänden noch abtreten darf, ein Anspruch auf die Barauszahlung der Austrittsleistung kraft Gesetzes nicht bestanden hat, wenn der Arbeitnehmer im schweizerischen System der betrieblichen Altersvorsorge verblieben ist und das Vorsorgekapital auch auf dem Freizügigkeitskonto ausschließlich und unwiderruflich zur Vorsorge angelegt werden muss.

Die Würdigung, im Streitfall fehle es an einer wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Grenzgängers in Bezug auf die Austrittsleistung, ist auf dieser Grundlage für den Bundesfinanzhof nicht zu beanstanden.

So hat das Finanzgericht festgestellt, nach dem Reglement III sei eine Austrittsleistung, die aufgrund der Beendigung der Mitgliedschaft in der Anlagestiftung entstehe, auf ein Freizügigkeitskonto zu überweisen.

Hiernach ist auch für den Streitfall vom Finanzgericht bindend festgestellt, dass neben der reglementarischen Verpflichtung auch eine gesetzliche Pflicht der Anlagestiftung bestand, das gesamte (obligatorische und überobligatorische) Vorsorgekapital als Eintrittsleistung auf die Pensionskasse eines neuen Arbeitgebers in der Schweiz zu übertragen.

Wenn die in die neue Pensionskasse eingebrachte Austrittsleistung der Vorsorgeeinrichtungen des früheren Arbeitgebers -wie im Streitfall die Austrittsleistungen der Pensionskassen – I und II- das Kapital überstieg, das notwendig war, um einen Anspruch auf die vollen reglementarischen Leistungen in der Pensionskasse des neuen Arbeitgebers zu erwerben, bestand ein Wahlrecht, die Vorsorge neben der Absicherung über die neue Pensionskasse in Form eines Freizügigkeitskontos oder einer Freizügigkeitspolice fortzusetzen. Wurde die Eintrittsleistung zur Fortsetzung der betrieblichen Altersvorsorge auf ein solches Freizügigkeitskonto oder eine -police eingezahlt, konnten die Leistungen aus diesen Konten frühestens fünf Jahre vor und spätestens fünf Jahre nach Erreichen des gesetzlichen Rentenalters beansprucht werden. Einen Anspruch auf die Barauszahlung der Austrittsleistung an sich hatte ein Arbeitnehmer hingegen nur, wenn ein reglementarischer oder gesetzlicher Anspruch hierauf bestand; dieser wurde aber nur bei einem endgültigen Verlassen der Schweiz und Ausscheiden aus dem schweizerischen System der betrieblichen Altersvorsorge gewährt, was im Streitfall nicht gegeben war.

Auf die Frage, ob im Fall eines Zuflusses der Austrittsleistung beim Grenzgänger ein darin enthaltener Zinsanteil gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Sätze 2 und 4 EStG 2004 steuerbefreit wäre kommt es im Streitfall nicht an.

Die Revision der Grenzgänger ist unbegründet, da das Finanzgericht zu Recht die Einkünfte des Grenzgängers aus nichtselbständiger Arbeit auf der Grundlage nicht steuerbefreiter Arbeitgeberbeiträge erhöht und die bei den Grenzgängern als Altersvorsorgeaufwendungen abzugsfähigen Sonderausgaben aufgrund der Arbeitnehmerbeiträge in das Obligatorium der Pensionskassen I, – II und S zutreffend bestimmt hat.

Der Revisionsantrag der Grenzgänger, der sich nach seinem Wortlaut auf die „Steuerfreistellung der Austrittsleistung“ bezieht, welche das Finanzgericht den Grenzgängern bereits gewährt hat, ist auf Grundlage der Revisionsbegründung und des Vortrags in der mündlichen Verhandlung in der Weise zu verstehen, dass sich die Grenzgänger gegen die Erhöhung der Einkünfte des Grenzgängers aus nichtselbständiger Arbeit wehren, die das Finanzgericht vorgenommen hat, weil es die Arbeitgeberbeiträge in die Pensionskassen I, II, S und die Anlagestiftung nur teilweise gemäß § 3 Nr. 62 EStG und § 3 Nr. 63 EStG als steuerfrei angesehen hat.

Das Finanzgericht hat zur Ermittlung der Unterliegensquote der Grenzgänger ausgeführt, diese ermittle sich nach dem Antrag der Grenzgänger vor dem Finanzgericht, die Austrittsleistung der Anlagestiftung weder bei den steuerpflichtigen Einnahmen noch bei den Sonderausgaben anzusetzen.

Die „unverteilten Vorschüsse“, die die K-AG im Streitjahr als Zukunftssicherungsleistungen zugunsten des Grenzgängers an die Anlagestiftung überwiesen hat, sind als Einnahmen des Grenzgängers aus nichtselbständiger Arbeit anzusehen, die vorbehaltlich einer Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 62 EStG oder § 3 Nr. 63 EStG steuerpflichtig sind.

Wie der Bundesfinanzhof in den Urteilen vom 26.11.2014 ausgeführt hat, sind Zukunftssicherungsleistungen, die der Arbeitgeber an eine rechtlich selbständige schweizerische Anlagestiftung leistet, als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit steuerbar, wenn dem Arbeitnehmer gegen die Anlagestiftung -wie im Streitfall dem Grenzgänger- auf Grundlage des Stiftungsreglements ein unentziehbarer individueller Rechtsanspruch auf Leistung (hier: die Einmalzahlung in den im Reglement – III vorgesehenen Fällen) zusteht.

Die anschließende Auszahlung der Austrittsleistung führt dann jedoch nicht mehr zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

Diese Zukunftssicherungsleistungen der K-AG an die Anlagestiftung waren nicht gemäß § 3 Nr. 62 EStG oder § 3 Nr. 63 EStG steuerbefreit.

Zur Steuerfreistellung von Arbeitgeberbeiträgen in schweizerische Pensionskassen hat der VI. Bundesfinanzhof des BFH mit Urteil in BFHE 243, 210 für die Streitjahre bis einschließlich 2001 entschieden, dass obligatorische Arbeitgeberbeiträge zu einer schweizerischen Pensionskasse sowie Arbeitgeberleistungen auf Grundlage der schweizerischen Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) und der schweizerischen Invalidenversicherung (IV) gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG steuerfrei sind. Überobligatorische Arbeitgeberbeiträge zu einer schweizerischen Pensionskasse sind hingegen als Beiträge i.S. des § 3 Nr. 62 Satz 4 1. Halbsatz EStG nur innerhalb der Grenzen des § 3 Nr. 62 Satz 3 EStG steuerfrei; auf die danach steuerfreien Arbeitgeberleistungen sind die gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG steuerfreien Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers anzurechnen. Dieser Rechtsprechung zur unterschiedlichen Behandlung obligatorischer und überobligatorischer Arbeitgeberbeiträge hat sich der Bundesfinanzhof für Arbeitgeberbeiträge in die Pensionskasse privater Arbeitgeber für die Rechtslage nach dem Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes (AltEinkG) Bezug.

Auf dieser Grundlage sind auch die Arbeitgeberbeiträge der K-AG in die Anlagestiftung, die ausschließlich im Bereich der überobligatorischen betrieblichen Altersvorsorge tätig war, nicht gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG als gesetzlich geschuldete Arbeitgeberbeiträge steuerbefreit. Dies hat das Finanzgericht ohne Rechtsfehler entschieden. Die Verpflichtung zur Leistung dieser Beiträge beruhte -wie bei Beiträgen in das Überobligatorium bei einer Pensionskasse- auf einer privatrechtlichen Vorsorgevereinbarung des Grenzgängers mit der Anlagestiftung und nicht auf einer gesetzlichen Anordnung.

Die Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 62 Satz 4 EStG, der Arbeitgeberbeiträge zu (schweizerischen) „Pensionskassen“ erfasst, kann mangels einer Vergleichbarkeit der Anlagestiftung mit einer Pensionskasse nicht auf die in die Anlagestiftung geleisteten Arbeitgeberbeiträge angewendet werden. Vorliegend war die Anlagestiftung als Stiftung für Mitarbeiter-Gewinnbeteiligung ausschließlich im überobligatorischen Bereich tätig und hatte im schweizerischen System der betrieblichen Altersvorsorge neben den Pensionskassen nur eine Ergänzungsfunktion; im Unterschied zu den Pensionskassen unterlagen die Arbeitnehmer auch keiner Beitragspflicht.

Es ist für den Bundesfinanzhof ferner nicht zu beanstanden, dass das Finanzgericht die Arbeitgeberbeiträge der K-AG an die Anlagestiftung (die „unverteilten Vorschüsse“) nicht als gemäß § 3 Nr. 62 Sätze 2 und 3 EStG steuerfrei gestellte Arbeitgeberbeiträge beurteilt hat. Eine Steuerfreistellung der Arbeitgeberbeiträge der K-AG scheitert im Streitfall daran, dass diese gemäß § 3 Nr. 62 Satz 2 EStG bei inländischen Arbeitnehmern eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der inländischen gesetzlichen Rentenversicherung voraussetzt. Bei sinngemäßer Übertragung auf den Streitfall ist für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung eine Befreiung des Arbeitnehmers von der ausländischen gesetzlichen Rentenversicherung erforderlich. Der Grenzgänger war von der Beitragspflicht zur schweizerischen gesetzlichen Rentenversicherung (AHV/IV) jedoch nicht befreit. Hinzu tritt, dass § 3 Nr. 62 Satz 2 EStG nur „Zuschüsse“ erfasst, was eine eigene Beitragspflicht des Arbeitnehmers verlangt, die der Arbeitgeber bezuschusst. Eine eigene Beitragspflicht des Grenzgängers zur Anlagestiftung bestand jedoch nicht.

Schließlich ist auch die Würdigung des Finanzgericht, eine Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 63 EStG scheide für die Arbeitgeberbeiträge in die Anlagestiftung aus, zutreffend. Denn selbst wenn das Vorsorgeverhältnis des Grenzgängers als ausländische Direktversicherung im Sinne des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung -BetrAVG- (§ 1b Abs. 2 Satz 1 BetrAVG) und i.S. des § 3 Nr. 63 EStG zu qualifizieren wäre, scheitert eine Anwendung des § 3 Nr. 63 EStG an den von der Anlagestiftung eingeräumten Auszahlungsmöglichkeiten. Diese gewährte nach ihrem Reglement ausschließlich Einmalzahlungen, das Gesetz lässt als Auszahlungsformen jedoch nur die Gewährung einer Rente oder Leistungen aufgrund eines Auszahlungsplanes zu.

Die Erhöhung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit des Grenzgängers um die steuerpflichtigen Zukunftssicherungsleistungen der K-AG in Höhe der „unverteilten Vorschüsse“ ist daher zutreffend.

Die Beurteilung der Arbeitgeberbeiträge in die Pensionskassen I, II und die Anlagestiftung durch das Finanzgericht ist für den Bundesfinanzhof ebenfalls nicht zu beanstanden.

Das Finanzgericht hat die Pensionskassen I und S als sog. umhüllende Pensionskassen eingeordnet, die eine Absicherung des Grenzgängers im Obligatorium und im Überobligatorium gewährleisteten; die Pensionskasse II bot nur eine überobligatorische Absicherung ann. Auf dieser Grundlage hat das Finanzgericht bei der Anwendung des § 3 Nr. 62 Sätze 1 und 4 EStG zwischen Arbeitgeberbeiträgen, die in das Obligatorium der Pensionskassen I und S geleistet wurden und überobligatorischen Arbeitgeberbeiträgen, die an die Pensionskasse I, II und S geleistet wurden, unterschieden.

Die Beurteilung des Finanzgericht, nur die obligatorischen Arbeitgeberbeiträge seien gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG steuerbefreit, teilt der Bundesfinanzhof. Denn nur das Obligatorium im Rahmen einer schweizerischen umhüllenden Pensionskasse ist ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis mit einer gesetzlichen Beitragspflicht, während die überobligatorische Vorsorgevereinbarung ein privatrechtliches Vorsorgeverhältnis darstellt und die Arbeitgeberbeiträge in das Überobligatorium der Pensionskasse somit auf vertraglicher Grundlage geschuldet wurden.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 2. Dezember 2014 – VIII R 40/10


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